Einzelansicht

Brandanschläge im Sauerland

Rechte Kampfsportevents und die extrem rechte Partei »Der III. Weg« erschaffen im Sauerland den Nährboden für zahlreiche Brandanschläge.

Von Carina Book


Spätestens seit Ende 2019 ist das Sauerland ein regelrechter Hotspot rechter Brandanschläge. Das stellt auch die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus im Regierungsbezirk Arnsberg (NRW) fest. Auffällig sei eine Serie von Brandanschlägen in der Region um Olpe und im Siegerland Ende 2019 gewesen, die im zeitlichen Zusammenhang mit dem rechtsterroristischen Attentat von Halle und später auch dem von Hanau stehe, so die MBR. »Hier liegt die Vermutung nahe, dass sich extrem rechte Personen durch solche Attentate bestärkt fühlen und die Zeit für einen in rechten Kreisen herbei gesehnten Tag X gekommen sehen, an dem es zum unvermeidlichen Bürgerkrieg kommt, was durch rechte Anschläge beschleunigt werden soll«, heißt es weiter. Meistens brennt es nachts. Meistens sieht die Polizei keine Hinweise auf eine »rechtsextremistische Tat«. Zwei mutmaßliche Täter wurden gefasst: Ein Bewohner einer Geflüchtetenunterkunft, der die Unterkunft selbst angezündet haben soll und ein geistig beeinträchtigter 35-Jähriger, der zuvor nicht durch Kontakte in die rechte Szene aufgefallen war. Beide sind nun in der Psychiatrie, doch die Brände enden nicht.

Olpe

In Olpe und Umland bemühen sich rechte Gruppen, eine rechte Erlebniswelt zu kreieren. Dabei schielen die Rechten auf junge Rekruten. Gleichzeitig kommt es vermehrt zu Brandanschlägen gegen Geflüchtete. Die Täter wurden bisher noch nicht gefasst. Ein Problem mit rechten Jugendlichen sehen lokale Politik und Polizei dennoch nicht. Wie einer schriftlichen Kleinen Anfrage der Linksfraktion an die Bundesregierung zu entnehmen ist, ermittelt die Polizei wegen »schwerer Brandstiftung« in Olpe am 18. November 2019 und am 20. November 2019 an Geflüchtetenunterkünften. In beiden Fällen brannten Zeitungen vor Wohnungstüren in der Unterkunft. Die Polizei sieht keine Hinweise für eine »fremdenfeindliche Tat«, schließt aber politische Motivationen nicht gänzlich aus. Am 18. November kam es im benachbarten Lennestadt ebenfalls zu einer Sachbeschädigung an einer Geflüchtetenunterkunft.

In einem Fall vom 9. Dezember 2019 ermittelt die Polizei wegen Brandstiftung an einer weiteren Unterkunft für Geflüchtete. Am 9. April 2020 brannte es im alten Olper Bahnhof. Hier waren ebenfalls Geflüchtete untergebracht. Fünf Menschen mussten von der Feuerwehr gerettet werden. Einige Wochen später, am 12. Juli 2020, brannte es dort erneut. Die Kreispolizei Olpe gab auf Nachfrage an, dass »zum Zeitpunkt des Brandes am 12.7.2020 noch fünf Geflüchtete im Bahnhofsgebäude gemeldet« waren. Diesmal hatten Passanten eine Gruppe maskierter »Jugendlicher« mit Baseballschlägern auf dem Gelände des alten Bahnhofs entdeckt. Kurz darauf brannte es im Gebäude. Solche Erzählungen rufen Bilder aus den 1980er Jahren im Westen oder den 1990er Jahren im Osten hervor. Auf Nachfrage sagte ein Vertreter der hiesigen Linkspartei, die lokale Presse sei immer schnell dabei, »auf die Jugendlichen einzuhauen«; dass es ein Problem mit rechten Jugendlichen gäbe, könne er nicht bestätigen. Auch der Staatsschutz in Hagen sieht kein Problem mit rechten Jugendlichen in Olpe und Umgebung.

Dabei bieten Olpe und das Umland mannigfaltige Betätigungsangebote für Jugendliche. 25 km von Olpe entfernt fand 2017 der »Kampf der Nibelungen« statt, eine der größten extrem rechten Kampfsportveranstaltung. Damals reisten bis zu 600 Teilnehmende aus ganz Europa nach Kirchhundem, wo es bereits 2016 vier Brandanschläge auf eine geplante Geflüchtetenunterkunft gegeben hatte. Welche Auswirkungen derartige Kampfsportevents auf Jugendliche haben, fasste die Landesregierung Nordrhein-Westfalen als Antwort auf eine Große Schriftliche Anfrage am 18. September 2020 so zusammen: »Zu den zentralen Reizen zählt eine Erlebniswelt, in der menschenverachtende Botschaften und zum Teil moderne, jugendnahe Angebote verschmelzen. Sie verspricht ein umfassendes Programm, Zugehörigkeit, Anerkennung und Identität, Erfahrungen von Bedeutung, Stärke und Macht. In diesem Kontext spielen rechtsextremistische Kampfsportveranstaltungen zurzeit eine herausgehobene Rolle.«

Die extrem rechte Kleinstpartei »Der III. Weg« unterhält in Olpe den »Stützpunkt Sauerland Süd«, der Ende 2015 gegründet wurde. Das ist kein Zufall, denn hier lebt eine der führenden Figuren des »III. Weg«, Julian Bender. Auch hier ist man um die Jugendlichen in Olpe bemüht. Am 8. August 2020 war der extrem rechte Rapper »Makks Damage« für eine Veranstaltung der Partei in Olpe angekündigt. Am 24. Februar nutzte auch die sogenannte »Identitäre Bewegung« das sauerländische Plettenberg für ein Wochenende mit Wehrsportübungen. Aus Antifa-Kreisen ist zu vernehmen, dass es in der »Olper Region noch eine Gruppe von Jugendlichen gibt, die dem Identitären Spektrum zuzurechnen ist.« Sollte der Kreis Olpe also tatsächlich kein Problem mit rechten Jugendlichen haben, so bietet das Sauerland mit solchen Angeboten zumindest ein gedeihliches Klima für das Entstehen eines solchen Problems.

Attendorn

Nachdem es in der Nacht zum Sonntag am Olper Bahnhof gebrannt hatte, brach am Sonntagabend, den 12. Juli 2020, ein Feuer in einer Geflüchtetenunterkunft in Attendorn aus. Die Kreispolizei Olpe und die Staatsanwaltschaft Siegen verdächtigen einen 24-jährigen Bewohner aus Eritrea, der diese Tat in einer spontanen Äußerung zugegeben haben soll. Der verdächtigte Bewohner sei anschließend in eine geschlossene Psychiatrie gebracht worden. Eine »fremdenfeindliche Tat« werde nach wie vor ausgeschlossen.

Lennestadt

Mit einem Brandbeschleuniger wurde am 28. Januar 2018 gegen 2 Uhr nachts in Lennestadt, Ortsteil Meggen, das Holztor des Lagerraums eines türkischen Lebensmittelgeschäfts angezündet. Das Lebensmittelgeschäft befand sich in einem Mehrfamilienhaus, das einige Tage zuvor mit neonazistischen Symbolen wie Hakenkreuzen oder dem Code 88 markiert worden war. Die Flammen konnten nur durch das schnelle Eingreifen eines Anwohners nicht auf die darüberliegenden Wohnungen übergreifen. Der Fall wird in der Antwort auf eine Kleine Schriftliche Anfrage an die Bundesregierung als »schwere Brandstiftung« gelistet und in den Bereich »politisch motivierte Kriminalität ? rechts« eingeordnet. Da sich die Schriftliche Kleine Anfrage auf Übergriffe auf Geflüchtetenunterkünfte bezieht, muss in Erwägung gezogen werden, dass es sich hierbei um einen Anschlag handelt, der sich gegen die Familie im ersten Stock richtete.

Flammersbach

Am 8. September 2016 versuchten Unbekannte, eine Geflüchtetenunterkunft in Wilnsdorf, Ortsteil Flammersbach, in Brand zu setzen. Zuvor hatte es bereits Drohbriefe und Hakenkreuzschmierereien gegen die Unterkunft gegeben. Im Verlauf der Ermittlungen wurden zwei hiesige und exponierte Neonazis von den Ermittler*innen befragt. Laut eines Prozessbeobachters soll ein Ermittler des Staatsschutzes vor Gericht ausgesagt haben, dass er von einem der beiden Neonazis den Tipp bekommen habe, dass ein 35-jähriger Mann mit geistiger Beeinträchtigung an der Tat beteiligt gewesen sei. Der Mann wurde angeklagt. Weitere Tatverdächtige wurden nicht ermittelt. Das Gericht kam zu der Überzeugung, dass der 35-jährige Mann wegen Schuldunfähigkeit vom Vorwurf des versuchten Mordes und der versuchten Brandstiftung freizusprechen sei. Er wurde in eine Psychiatrie eingewiesen.

 

Dieser Artikel von Carina Book erschien zuerst auf 'ak - analyse & kritik'